Zitat von Arthur Schopenhauer zum Sinn von Geschichte
"Ein Volk, das seine eigene Geschichte nicht kennt, [ist] auf die
Gegenwart der jetzt lebenden Generationen beschränkt: daher versteht es
sich selbst und seine eigene Gegenwart nicht; weil es sie nicht auf
eine Vergangenheit zu beziehn und aus dieser zu erklären vermag; noch
weniger kann es die Zukunft anticipiren. Erst durch die Geschichte wird
ein Volk sich seiner selbst vollständig bewusst. Demnach ist die
Geschichte als das vernünftige Selbstbewusstseyn des menschlichen
Geschlechtes anzusehn, und ist diesem Das, was dem Einzelnen das durch
die Vernunft bedingte, besonnene und zusammenhängende Bewusstseyn ist,
durch dessen Ermangelung das Thier in der engen, anschaulichen
Gegenwart befangen bleibt. Daher ist jede Lücke in der Geschichte wie
eine Lücke im erinnernden Selbstbewusstseyn eines Menschen [...] In
diesem Sinne also ist die Geschichte anzusehn als die Vernunft, oder
das besonnene Bewusstseyn des menschlichen Geschlechts, und vertritt
die Stelle eines dem ganzen Geschlechte unmittelbar gemeinsamen
Selbstbewusstseyns, so dass erst vermöge ihrer dasselbe wirklich zu
einem Ganzen, zu einer Menschheit, wird. Dies ist der wahre Werth der
Geschichte; und dem gemäss beruht das so allgemeine und überwiegende
Interesse an ihr hauptsächlich darauf, dass sie eine persönliche
Angelegenheit des Menschengeschlechts ist.
Die Welt als Wille und Vorstellung Band II, Kapitel 38, S. 509.