Inhalt: sowjetische Wirtschaftsprobleme
"Dabei hat Chruschtschow es keineswegs versäumt, die einer Kommandowirtschaft
inhärenten Mängel zu attackieren. Zu diesen Mängeln ist vor
allem zu rechnen, dass die in jedem Produktionsprozess anfallende grosse
Zahl von Entscheidungen keine Vorausberechnungen und keine zentrale Lenkung
zulässt. Jeder Plan, gleich welcher Art, wird daher immer von kläglicher
Unzulänglichkeit bleiben und auf zusätzliche Input-Werte von unten
angewiesen sein. In einer normalen, das heisst marktwirtschaftlich geführten
Ökonomie werden diese Inputs über die echten Preise, nicht über
die politischen Preise eines Systems vom sowjetischen Typ, geliefert. Wo
solche Preise fehlen, drängt sich als naheliegendes Korrekturinstrument
des rigiden Plans die Dezentralisierung auf - auch sie allerdings eine administrative
oder politische, nicht wirtschaftliche Massnahme, die das Übel, das
sie verbessern sollte, nur weiterführt oder auf eine andere Ebene des
Apparats verschiebt. Die meisten sowjetischen Wirtschaftsreformen in der
Zeit nach Stalin gingen im Grunde über Scheinmanöver dieser Art
nicht hinaus.
Ein weiterer Mangel des ökonomischen Staatsdirigismus ist die vorprogrammierte
Stagnationstendenz. Der Plan erfordert zentrale, monopolistische Ministerien,
die dazu neigen, sich imperial zu verselbständigen. Er baut ausserdem
im wesentlichen auf den Erfahrungswerten der Vorjahre auf, die, zu Statistiken
geronnen, per Recycling neue "Kontrollziffern" als Richtwerte liefern. Daraus
ergibt sich die Tendenz, jedes Jahr in leicht erhöhter Zahl dasselbe
zu produzieren; die Betonung liegt entsprechend auf der Quantität statt
auf der Qualität. In einer solchen Welt wirken neue Produkte oder Modelle
hinderlich, weil ihre Einführung einen verzögerten Anstieg der
Planprozente und den Verlust von Leistungsprämien bedeutet."
Quelle: Malia
, S. 389